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Mehr Demokratie: Plebiszite in Ungarn nicht mit direkter Demokratie verwechseln!

Ministerpräsident Orban lässt über sexuelle Aufklärung von Minderjährigen abstimmen

Parallel zur Parlamentswahl in Ungarn wird am kommenden Sonntag (3 April) in einem von der Regierung angesetzten Plebiszit über vier Fragen im Zusammenhang mit sexueller Aufklärung und Selbstbestimmung von Minderjährigen abgestimmt. „Das Plebiszit in Ungarn hat mit direkter Demokratie als Ausdruck des Bürgerwillens wenig zu tun“, sagt Mehr Demokratie-Vorstandssprecher Ralf-Uwe Beck.

„Die Abstimmungen in Ungarn wurden von der Regierung Orban verordnet, um den eigenen rückwärtsgewandten Kurs durch das Volk bestätigen zu lassen.“ Von oben angesetzte Abstimmungen, wie etwa der Brexit, seien mit von Bürgerinnen und Bürgern initiierten Verfahren nicht vergleichbar, betont Beck. „Direkte Demokratie, wie wir sie in Deutschland kennen und vorantreiben, zielt darauf, dass Bürgerinnen und Bürger entweder selbst Themen auf die Agenda setzen oder vom Parlament getroffene Entscheidungen nochmals überprüfen können.“

In dem vom Parlament angesetzten Plebiszit wird über vier Themen im Zusammenhang mit einer geplanten Verschärfung des Kinderschutzgesetzes abgestimmt:

1. Sexualkundeunterricht ohne Zustimmung der Eltern,

2. Förderung geschlechtsangleichender Therapien für Minderjährige,

3. Unbeschränkter Zugang Minderjähriger zu sexuellen Medieninhalten,

4. Zugang Minderjähriger zu Informationen über Geschlechtsumwandlung.

Ursprünglich war eine weitere Abstimmungsfrage geplant, die darauf zielte, den Zugang zu geschlechtsangleichenden Therapien für Minderjährige zu reglementieren. Aus der Opposition heraus hatte es Klagen gegen alle Abstimmungsfragen gegeben, denen aber vor dem Verfassungsgericht nicht stattgegeben wurde. Bereits im vergangenen Sommer hatte die Regierung ein Kinderschutzgesetz durchgesetzt, das Kindesmissbrauch in die Nähe von Homosexualität rückt und Informationen zur Geschlechtsumwandlung für Minderjährige einschränkt.

 

+ Hintergrund:

Nach dem gleichen Muster wie beim aktuellen Plebiszit, das auf Beifall für das Regierungshandel abzielt, hatte der ungarische Ministerpräsident bereits 2016 darüber abstimmen lassen, ob sich Ungarn gegen die durch die EU vorgeschriebene Aufnahme von Flüchtlingen stellen sollte. Das damalige Referendum war ungültig, weil die Zustimmungshürde von mindestens 50 Prozent der Stimmberechtigten verfehlt wurde. Trotzdem hatte Orban dem Parlament eine Verfassungsänderung in seinem Sinne vorgelegt. Diese scheitere ebenfalls an der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Mehr zu den aktuellen Plebisziten: https://sudd.ch/event.php?id=hu012022&lang=de

Info zum Plebiszit von 2016: https://sudd.ch/event.php?lang=de&id=hu012016